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Du willst nur das Beste? Voilà:
Ein Bonmot bringt es
auf den Punkt: «Mindestens 200 der 246 Parlamentarier denken, wenn
sie am Morgen im Badezimmer in den Spiegel schauen: ‹So sieht ein
Bundesrat aus›.» Wer es erfunden hat, ist nicht ganz klar. Dem
früheren CVP-Generalsekretär und Politikberater Iwan Rickenbacher
wird es genauso zugeschrieben wie dem SP-Doyen Helmut Hubacher.
Letztlich spielt es keine Rolle. Der Satz umschreibt bestens die
Faszination, die das Regierungsamt ausstrahlt.
Zehn Bewerber haben
sich bei der SVP offiziell als Kandidaten für die Nachfolge von
Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) angemeldet. Drei hat die Partei
offiziell nominiert: Die Nationalräte Thomas Aeschi (Zug) und Guy
Parmelin (Waadt) sowie den Tessiner Lega-Regierungsrat Norman Gobbi,
der erst seit kurzem SVP-Mitglied ist. Die Unterlegenen haben das
Verdikt mehr oder weniger gelassen akzeptiert. Mancher hofft wohl,
das Parlament wähle ihn doch noch.
Bundesrat ist ein
Traumjob. Dabei sind Bundesräte schwache Figuren. Die Schweiz
leistet sich eine Schmalspur-Regierung mit nur sieben Mitgliedern.
Das ist gewollt, denn ein System mit direkter Demokratie verträgt
sich nur bedingt mit einer mächtigen Exekutive. Kritiker bemängeln,
dass die wahre Macht bei der Verwaltung und ihren Chefbeamten liege.
Wer seinen Spielraum jedoch auszunützen weiss, kann in dem
Siebnergremium durchaus einiges bewegen.
Hinzu kommt der
Glanz, den der Titel Bundesrat ausstrahlt. Man ist wer, wird
umworben, kann die Schweiz in der Welt vertreten. Und obwohl der
Respekt vor den Magistraten geschwunden ist, geniessen sie ein beträchtliches Ansehen. 63 Prozent der Bevölkerung haben laut
dem aktuellen CS-Sorgenbarometer Vertrauen in den Bundesrat. In
Ländern mit repräsentativer Demokratie können Regierungen von
solchen Werten meist nur träumen.
«Ein Traumjob?
Sicher – aber zu einem sehr hohen Preis.» Dies sagte Franz Egle,
der ehemalige Informationschef von Bundesrat Flavio Cotti, der «Neuen
Luzerner Zeitung». Bundesrat ist auch ein Scheissjob. Die
Arbeitslast ist enorm. Bundesräte müssen nicht nur über ihr
eigenes Departement Bescheid wissen, sondern auch über die Geschäfte
der anderen. Häufig beginnt ihr Arbeitstag am frühen Morgen mit
Aktenstudium und endet am späten Abend an irgend einer «Hundsverlochete».
CVP-Bundesrätin
Doris Leuthard bezifferte den Arbeitsaufwand auf 90 Stunden pro
Woche. Diese körperliche und seelische Belastung haben längst nicht
alle gut verdaut. Zwischen 1848 und 1919 verstarben fast 40 Prozent
der Bundesräte im Amt, schrieb der Historiker und Bundesratskenner
Urs Altermatt in der NZZ. Hauptgrund war, dass Bundesräte keine Rente erhielten. Oft arbeiteten sie sich aus finanziellen
Gründen buchstäblich zu Tode.
Später stieg die
Belastung durch die zunehmende Zahl und Komplexität der Geschäfte.
In den 1980er Jahren häuften sich die physischen Probleme. Der
Zürcher Fritz Honegger (FDP) litt unter Herzbeschwerden, nach
nur fünf Jahren trat er 1982 zurück. Sein Nachfolger Rudolf
Friedrich hielt es knapp zwei Jahre aus. Der gleichzeitig mit ihm
gewählte Luzerner Alphons Egli (CVP) ging nach vier Jahren «aus
gesundheitlichen Gründen». Der populäre Arbeiter-Bundesrat Willi
Ritschard starb 1983 nur zwei Wochen nach seiner Rücktrittserklärung
an Herzversagen.
In der Folge wurden
vermehrt jüngere Persönlichkeiten in den Bundesrat gewählt.
Ausserdem kam es zu bescheidenen Reformen: Departemente wurden
umstrukturiert, und bereits Ende der 1970er Jahre erhielten die
Bundesräte die Möglichkeit, zwei persönliche Mitarbeiter
anzustellen. Grosse Würfe aber blieben aus. Zusätzliche
Staatssekretäre lehnte das Volk 1996 ab, eine Aufstockung der
Regierung auf neun oder elf Bundesräte und ein mehrjähriges
Bundespräsidium scheiterten im Parlament. Oder am Bundesrat selbst,
der seine Macht nicht teilen oder beschränken wollte.
Ein weiteres
Problem: Das Parlament tendiert dazu, mediokre Figuren zu wählen.
Herausragende Politiker wie der St.Galler Kurt Furgler (CVP), dessen
intellektuelle Brillanz öfters in Arroganz umschlug, schafften es nur
selten. Lieber der graue Neuenburger Francis Matthey als die
schillernde Genferin Christiane Brunner (1993). Lieber Otto Stich als
Lilian Uchtenhagen (1983). «Die Parlamentarier gönnen den anderen
Parteien keine Galionsfiguren», schreibt die «Weltwoche».
Kein Wunder: Wenn
alle glauben, sie wären für das Amt geeignet, wollen sie niemanden
wählen, der offenkundig besser ist. Wobei man einräumen
muss, dass die Hemmschwelle zur Wahl von überdurchschnittlichen
Bewerbern in den letzten Jahren gesunken ist. Ein Grund dafür mag
ein relativ neues Kriterium sein, das sich «Arena-Tauglichkeit» nennt. Wer im Fernsehen eine gute Figur macht, hat einen Startvorteil
gegenüber den «grauen Mäusen».
Trotzdem bleiben Bundesratswahlen mehr oder weniger unberechenbar.
Auch das macht ihre Faszination aus. Bundesrat ist ein Traumjob. Und
ein Scheissjob. Und alle wollen ihn haben.